Apple und die Profis
09.01.2017Dieser Artikel ist persönlich. Er gibt meine Erfahrungen mit Apple im allgemeinen und mit dem Upgrade auf Sierra (10.12.2) wieder. Ich bin seit mehr als 10 Jahren Apple Nutzer und war bis vor etwa zwei Jahren sehr zufrieden, aber kein Apple-Fanboy und war es auch nie. Ich habe in den 90ern Linux verwendet und aus beruflichen Gründen auch Windows. Meine Motivation, Apple HW und SW einzusetzen, enstand aus dem Wunsch, dass ich es leid war, mich mit Low-Level Problemen herumzuschlagen. Wenn man ein paar Mal Linux installiert und konfiguriert hat und vielleicht sogar mal einen Kernel selbst durchkompiliert hat, dann verliert das seinen Reiz - jedenfalls für mich. Apples Versprechen, dass Dinge einfach funktionieren (“it just works”), stimmte zwar noch nie, wenn man es wörtlich nimmt, aber sie kamen verdammt nah dran. Ich habe von Tiger bis Yosemite fast keine Probleme gehabt und neue OS Upgrades durch Migration, d.h. per Knopfdruck erledigt - das OS hat alle Konfigurationsparameter klaglos übernommen und ggf. auf den aktuellen Stand gebracht, Anwendungen mussten selten manuell neu installiert werden. Und neue HW hat die Konfiguration und die Daten von einem alten Mac einfach übernommen. Das war wunderbar, weil man sich auf andere Sachen konzentrieren konnte. So haben das in den 2000er Jahren viele IT-Profis - besonders ausserhalb von Deutschland, das in der IT-Szene sehr durch OSS geprägt ist, - gesehen. Aber seit Yosemite ging es bergab. Qualitätsprobleme schienen sich zu akkumulieren, man musste warten mit einem OS Upgrade; darüber ist schon viel berichtet worden. Eine kleine Auswahl von Problemberichten habe ich - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - nachstehend zusammengestellt:
So muss man sich inzwischen mit einer großen Liste mit Problemen herumschlagen, wenn man plant, die neueste OS X Version einzusetzen. Nachdem ein Upgrade auf 10.9. letztes Jahr scheiterte, wurde ein Upgrade von 10.8.5 auf 10.12.2 aber allmählich unumgänglich. Hier mein Erfahrungsbericht:
- Zunächst versuchte ich auch hier eine Migration. Upgrade schien zunächst zu klappen. Beim Einspielen der “alten” Benutzerprofile wurde das OS derart instabil, dass es unbenutzbar wurde. Das muss man sich einmal vorstellen: Konfigurationsdaten führen zu Abstürzen aller Apple Apps - da fasst der SW-Engineering Fachmann sich an den Kopf
- Daher entschied ich mich schweren Herzens zu einem Neuaufsetzen. Apple liefert nicht nur keine Installationsmedien mehr aus (Hallo, Apple, ich würde für so etwa - wie alle Profis Geld bezahlen), es gibt auch keinen “einfachen” Weg, das zu erledigen. Man muss es sich im Web zusammensuchen, wie es geht. Zunächst ist z.B. ein bootfähiger USB-Stick mit dem Installer zu beschreiben. Von diesem aus startet man die Installation.
- Die Installation schlug nach 1.5hr fehl. Grund war ein HW-Fehler im Stick-Controller. Ja, dafür kann Apple nichts, aber ein Installationsmedium (s.o.) wäre eben besser gewesen. Also mit neuem Stick neues Glück versucht.
- Versuch unterbrochen wegen Weihnachtsvorbereitungen. Nach Weihnachten keine Lust. Neubeginn am Neujahr. Nach 1.5hr Installation sagt Apple, der Installer wäre korrupt. Es stellt sich heraus, dass Apple den Installer signiert und dafür das Datum des Downloads verwendet. Nach ein paar Tagen oder wegen des Jahreswechsels passt das nicht mehr. Hallo Apple, muss das sein? Kann man das nicht wenigstens vor der Installation feststellen? Wenn ich nicht mehr als einen Laptop gehabt hätte, hätte ich mir nun auch keinen neuen Installer mehr runterladen können (dauert übrigens Stunden, weil Apple dafür offensichtlich nur einen Fileserver ins Netz stellt)
- Habe das Datum an der Kommandozeile zurückgesetzt. Sollte funktionieren. Leider nicht und Apple runiniert dabei auch noch die Installerdateien (die waren da nach überhaupt nicht mehr brauchbar).
- Also neu runterladen (4 hr, s.o.)
- Installation erfolgreich!
- Jetzt Daten manuell konfigurieren. Kopie der Daten aus einem Super-Duper Clone nicht möglich, da Super-Duper die Benutzerverzeichnisse nur als symbolische Links kopiert hat. Dafür kann Apple nichts, aber das ist symptomatisch für die Qualität des Apple Ökosystems.
- Daten aus der TimeMachine-Sicherung vom NAS übernehmen. Sierra erkennt die Sicherung nicht; mein Blutdruck steigt.
- Was mich (wieder mal) gerettet hat, ist die Tatsache, dass ich seit 2004 über selbstgeschriebene, rollierende Backupsoftware auf OSS-Basis (rsync und hardlinks) verfüge.
- Stelle fest, dass die Calendar-App alle importierten Termine in die Cloud speichert, obwohl ich die Cloud bei der Installation “verboten” habe. Man muss das in der App noch mal separat einstellen. Apple, gehts noch? Vielleicht sollte die EU-Kommission auch über Strafen wegen Verletzung von Datenschutzgesetzen nachdenken.
- Bei der Konfiguration von Mail dann der krönende Abschluss: Ich habe 3 Konten bei meinem Hoster. Alle identisch, bis auf die Mail-Adresse. Bei einem von den drei löscht Mail den Sent-Ordner mit ~7000 Emails seit 2008. Mein provider konnte die wiederherstellen, was mich nur 29 Euro gekostet hat.
- Stabilität? Ein (OS!) Crash in einer Woche - nicht gut, aber noch zu früh für ein abschließendes Urteil.
Fazit: Das ist unterirdisch. Ich denke darüber nach, alles auf Linux umzustellen.
Was sind die Gründe für diese “User-Experience”? Man kann natürlich als Aussenstehender nur spekulieren, aber mir scheint ein wichtiger Grund zu sein, dass ich - bereits seit einiger Zeit - nicht mehr zur Zielgruppe gehöre. Ich brauche stabile, sehr solide SW, die Datenmigration unterstützt. Ich brauche wenig bis keine neuen “Features” wie Siri auf dem Desktop oder iCloud. Kurz - ich benötige ein professionelles Arbeitswerkzeug und nicht so sinnlose Spielereien wie transparente Fenster. Aber so was bekommt man von Apple nicht (mehr), weil heute alles auf den Consumer-Markt ausgerichtet ist. Das Geld wird mit iPhones verdient. Schade!
Was sind die Alternativen? Windows scheidet aus - aus verschiedenen Gründen, aber auch wegen seiner sehr kritikwürdigen Data Privacy Eigenschaften. Also Linux? Mal sehen. Kollegen berichten, dass auch dort (wieder?) Features vor Stabilität angesagt sind, was zu ähnlichen Problemen führt.