Nervennahrung

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Bildungsmisere

30.11.2025

Eine Woche mit vielen bildungspolitischen Negativschlagzeilen geht zu Ende:

  1. In der FR macht Jutta Dithfurth auf die Konsequenzen der rigorosen Sparpolitik an unserer Hochschule aufmerksam: “UAS-Präsident Kai-Oliver Schocke und der Hessische Landtag sparten die Hochschule regelrecht kaputt. […] Die Hochschule (wolle) übertrieben viele Studienplätze abbauen, was besonders die Soziale Arbeit und die Informatik betreffe.” ferner führt sie aus, daß der “der autoritär“ agierende Hochschulpräsident statt auf Studierende lieber auf Protzbauten für die Informatik setze”. In letzterem Punkt irrt die Lokalpolitikerin von Ökolinx allerdings gleich mehrfach. Leider ist der Neubau kein “Protzbau” und auch kein Bau für die Informatik, sondern ersetzt das alte Gebäude 7, das Labore, Werkstätten, Seminarräume und Büros für die Ingenieurwissenschaften unserer HS zur Verfügung stellt. Und angemessene Räumlichkeiten sind für Bildung der nächsten Generation einer Industrienation ebenso notwendig wie Personalressourcen - das sollte man in Zeiten, in denen manche Lastenfahrräder für die Zukunft halten, nicht vergessen. Aber daß durch die rigorose Sparpolitik gerade auch diejenigen Fächer massiv beschädigt werden, für die sowohl auf der Angebots- als auch Nachfrageseite Bedarf besteht, nämlich Informatik und Soziale Arbeit ist wahr und das Gegenteil nachhaltiger Bildungs- und Standortpolitik.

  2. Derweil protestieren an der TU Darmstadt Studenten gegen die Schließung von gleich drei Studiengängen wegen Geldmangels.

  3. Die Kürzungen sind kein Spezifikum der hessischen Landespolitik, sondern reihen sich ein in das deprimierende Bild, das Deutschland seit vielen Jahren schon abgibt. Das Institut der Wirtschaft berichtet in seinem Bericht über die öffentlichen Ausgaben darüber, daß Deutschland in Europa, was Sozialtransfers angeht, den ersten Platz einnimmt und in den Bildungsausgaben den letzten Platz - abgeschlagen gegenüber skandinavischen Ländern oder auch Österreich - einnimmt. Und das ist leider schon seit mindestens zwei Dekaden. Man kann das als Lobbypolitik abtun oder drüber nachdenken, ob eine Gesellschaft mit dieser Verteilung von öffentlichen Ausgaben zukunftsfähig ist oder nicht.

  4. Der Gemeinsam Bibliotheksverbund GBV - ein Betrieb des Landes Niedersachsen und damit eine staatliche Stelle - hat der in Berlin ansässigen Bibliothek des Konservatismus (BdK) ohne Angabe von Gründen die Mitgliedschaft im Gemeinsamen Bibliotheksverbund zum 31. Dezember 2025 gekündigt. Anfragen an die Direktorin Regine Stein blieben bisher ohne Antwort. Das Presseecho ist verhalten, aber verheerend, so fragt die NZZ:“Sind Bücher gefährlich? Die Verbannung einer konservativen Bibliothek aus der öffentlichen Wahrnehmung ist ein Armutszeugnis” und Ferdinand Knauß kommentiert im Cicero Welt: “Ein Wissenschaftsministerium macht Bücher unsichtbar”.

  5. An der von Jesuiten gegründeten, renommierten Hochschule für Philosophie in München sollte der Philosoph Sebastian Ostritsch einen Vortrag zum Thema “Gottesbeweise bei Thomas von Aquin und Immanuel Kant” halten. Nach Protesten einer unbestimmten (kleinen?!) Anzahl von Studenten gegen den “rechten” Philosophen, entschied die Hochschulleitung, den Vortrag abzusagen, mit der in solchen Fällen üblichen Begründung: “Die Sicherheit von Referent und Veranstaltung habe nicht gewährleistet werden können.” Man weiss nicht, was man schlimmer halten soll - die totalitäre Gesinnung der Studenten, die Canceln fordern, anstatt sich der Diskussion zu stellen, oder die rückgratlose Feigheit der Hochschulleitung. Das ganze ist jedenfalls so absurd, daß sich die Zeit fragt: “Ob Leo XIV. und Papst Franziskus oder gar Papst Benedikt heute in der Hochschule hätten sprechen können? Die Pointe, daß hier ein katholischer Denker mit weit verbreiteten katholischen Positionen nicht etwa von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gecancelt wird, sondern von einer immerhin katholischen Einrichtung – das macht die Geschichte pikant. […] Das Einknicken der Hochschulleitung angesichts einiger Protestler bleibt ein leider so typischer wie beschämender Vorgang.”

  6. Letzte Woche erschien auch ein interessantes Paper zur Cancel-Culture an deutschen Hochschulen mit der Schlussfolgerung: “A substantial number of German university students support restrictions on academic debate on campus, including the cancellation of talks, the revocation of teaching positions, and the removal of books”. Dabei befürworten linke Studenten deutlich häufiger Cancel Culture und es wird deutlich häufiger befürwortet, konservative Meinungen zu canceln. Einer der Autoren, Richard Traunmüller, denkt, dass der Wunsch zu canceln “auf der linken Seite ausgeprägter” sei, weil man glaube, “dass man auf der guten Seite” stehe. Grundlage sei “eine sehr einfache Schwarz-Weiß-Ideologie.

Aktivirrsinn

14.11.2025

In einem exzellenten Beitrag kritisiert Philipp Hübl im DLF den aktivistischen Irrsinn, der zunehmend weltweit auch in der Wissenschaft um sich greift. Konkreter Anlaß ist die Aufforderung der Herausgeber des angesehenen Journals “Nature Reviews Psychology”, Publikationen von Minderheiten häufiger zu zitieren, um inklusiver zu schreiben. Diese und ähnliche Dinge werden zunehmend von den internationalen Wissenschaftsverlagen den Wissenschaftlern aufoktroyiert. Ich wurde als Gutachter für Elsevier z. B. nach meiner “Gender Identity” (was immer das sein mag), meiner Rasse und Ethnie befragt - noch?! freiwillig.

Kaub2025

14.11.2025

Zusammen mit dem Kollegen Martin Simon durfte ich dieses Jahr den “3rd International Workshop on Statistics, Machine Learning and Applications” in Kaub organisieren. Wie Sie dem Bericht auf der Webpage des Fachbereichs entnehmen können, waren diesmal sechs Hochschulen und Wissenschaftler aus Deutschland, Finnland, Spanien und Großbritannien beteiligt und haben aktuelle Themen aus Statistik, Maschinellem Lernen und praktische Anwendungen diskutiert - für mich ein persönliches Highlight des Jahres - auch und gerade wegen der engen Kontakte, die sich inzwischen zu einigen der Kollegen ergeben haben und wegen der ungezwungenen Arbeitsatmosphäre.

Windturbinen

26.10.2025

Meine Doktorandin Anita Farhang hat mithilfe von KI-Methoden Wartungsprobleme bei Windturbinen untersucht. Das eingereichte Paper “Explainable artificial intelligence for time series using attention mechanism: Application to wind turbine fault detection” wurde jetzt zur Veröffentlichung (doi:10.1109/ACCESS.2025.3621003) akzeptiert - ganz herzlicher Glückwunsch!

LechtsUndRinks

05.10.2025

“lichtung

manche meinen

lechts und rinks

kann man nicht velwechsern

werch ein illtum”

– Ernst Jandl

In Zeiten, in denen eine zunehmende Verwirrung über rechte und linke politische Standorte besteht, scheint mir die Trennungslinie zunehmend zwischen liberalen, Freiheitsrechte befürwortenden und autoritären Standpunkten zu verlaufen. Leider sind die Autoritären und Totalitären überall auf dem Vormarsch und Freiheit steht bei vielen unter Generalverdacht. Und leider zeigen auch Institutionen wie die EU zunehmend autoritäre Tendenzen. Die EU will am Donnerstag über das sogenannte Chat Monitoring abstimmen lassen - eine Initiative, die die Privatheit sämtlicher digitaler Kommunikation in der EU abschafft. Wird diese Initiative Gesetz, dann werden in Zukunft sämtliche private Endgeräte anlasslos auf Inhalte durchsucht und u.U. den Behörden gemeldet. Um für diese desaströse Initiative zu werben, führt man - wie immer in solchen Fällen - die Bekämpfung von Kinderpornographie ins Feld. Nähere Informationen finden Sie in einem Bericht des CCC.

Leider ist die Position der Bundesregierung, die bisher diese Totalüberwachung abgelehnt hat, unklar. Aber unsere Bundesjustizministerin plant ja auch - zum wievielten Mal eigentlich ?! – ein Gesetz für die Speicherung von IP-Adressen. In der Vergangenheit wurden Gesetze zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung zwar mehrfach für unvereinbar mit der deutschen Verfassung und EU-Recht beurteilt, aber offenbar will man es wieder versuchen. Und wieder werden Missbrauchsdarstellungen von Kindern ins Feld geführt.

Update (09.10.2025): Da die Bundesregierung die Zustimmung (vorerst?!) verweigert hat, wurde die Abstimmung auf Dezember verschoben. Die Angelegenheit ist daher noch nicht vom Tisch. Eine sehenswerte Zusammenfassung und Einordnung in andere Überwachungsskandale in der EU finden Sie bei Zeit Online im Beitrag “Darf der Staat bald in all unsere Handys schauen?”.

Antisemitismus

30.09.2025

Gerne kündige ich an dieser Stelle die Ausstellung “Antisemitismus - Sichtbar machen. Verstehen. Handeln.” an unserer Hochschule an - angesichts des zunehmenden Antisemitismus im Lande und leider (gerade?!) auch an Hochschulen eine wichtige Initiative.

Abstieg

18.07.2025

Eine rabenschwarze Woche geht zu Ende. Gestern wurde der hessische Hochschulpakt unterzeichnet; unsere Hochschule veröffentlicht dazu eine Pressemeldung. Unser Präsident kommentiert dies mit folgenden Worten: “Die Nachfrage nach unseren Studiengängen war und ist hervorragend - wir haben in den letzten Jahren gegen den Trend in Hessen die Zahl unserer Studierenden halten können. Das Studienplatzangebot werden wir nun deutlich reduzieren müssen. Unsere gesamte Energie konzentrieren wir jetzt darauf, den schmerzhaften Transformationsprozeß der Hochschule bestmöglich zu gestalten und unverändert eine attraktive Hochschule zu bleiben.” Daß das Land Hessen die Mittel für Bildung effektiv um eine Milliarde kürzt, während andere Landesregierungen wie z. B. die rot-grüne in Niedersachsen Milliarden zusätzlicher Investitionen in Hochschulen plant, daß unsere Hochschule, die ihre Ziele erfüllt hat, deutlich weniger Mittel insgesamt erhält als andere Hochschulen des Landes, die ihre Ziele verfehlt haben und die deutlich weniger Studenten ausbilden, das alles muß man nicht verstehen, denn es ergibt überhaupt keinen Sinn.

Für die Informatik bedeutet dies, daß wir ab WS 2026 die Studentenzahlen deutlich u.a. durch einen NC reduzieren werden, denn anstelle von ursprünglich zugesagten 12 zusätzlichen Professuren werden jetzt bis auf weiteres alle ausscheidende Professoren nicht ersetzt, m.a.W. wir werden deutlich schrumpfen. Auch andere Angebote werden wir deutlich zum Nachteil unserer Studenten reduzieren müssen. Das Land Hessen verschlechtert so nicht nur das Bildungsangebot für seine “Landeskinder”, sondern fällt im Wettbewerb mit anderen Bundesländern deutlich zurück - vom internationalen Wettbewerb gar nicht zu reden.

Haushaltsschwerpunkte

14.07.2025

Im Frühjahr kommentierte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Tobias Eckert, die Generaldebatte zum Landeshaushalt 2025 wie folgt: “In diesem Sinne haben wir für das Jahr 2025 einen Haushalt aufgestellt, der den Willen zur politischen Gestaltung ausdrückt und Schwerpunkte dort setzt, wo die Zukunft unseres Landes entschieden wird.”

Daß die Zukunft des Landes auch in der Bildungspolitik und in den hessischen Hochschulen entschieden wird, kann er wohl nicht gemeint haben, denn geplant sind nun eine Milliarde Kürzungen (auf 6 Jahre, 167 Mio pro Jahr) für die Hochschulen des Landes. Unsere Hochschule muß Studiengänge schließen - eine Meldung, die es sogar in die Tagesschau geschafft hat.

Dagegen regt sich langsam Protest. Eine Stellungnahme unseres Senats finden Sie hier, die FAZ und die Frankfurter Rundschau berichten.

Genauso schlimm wie die Kürzungen ist, daß das Motto der Helmut Kohl CDU von 1982 “Leistung muss sich wieder lohnen” für die derzeitige Hessen CDU offenbar auch wenig gilt, denn gerade diejenigen Hochschulen, deren Professoren, Mitarbeiter und Studenten zusammen in den letzten 5 Jahren ihre Ziele erreicht haben, bekommen das - entgegen der Zusicherungen - nicht nur nicht “vergütet”, sondern leiden besonders unter den Kürzungen. Wie mein Kollege Martin Simon formuliert: “Aus Sicht der Frankfurt University of Applied Sciences besonders beklagenswert, dass ‘sich die in den letzten fünf Jahren erbrachte, im auslaufenden Hochschulpakt mit dem Land vereinbarte Leistung nicht gelohnt hat, sondern der Hochschule sogar zum Nachteil ausgelegt wird’. Wenn Leistung bestraft wird, ist das ein fatales Signal.”

So ist es - dem ist nichts hinzuzufügen.

Hochschulpakt

17.06.2025

Normalerweise verlinke ich gerne auf Ankündigungen und Pressemeldungen unserer Hochschule, aber auf dieses Statement des Präsidenten zum Hochschulpakt verweise nach nur ungern, nicht, weil ich anderer Meinung bin, sondern ganz im Gegenteil, weil ich ebenso wie unsere Präsident und alle Präsidien der Hochschulen des Landes Hessens der Auffassung bin, daß dieser Hochschulpakt unmöglich ist - und das ist leider eine unangenehme Chronistenpflicht. Morgen haben die Studentenvertretungen zum Aktionstag aufgerufen, um gegen den Hochschulpakt zu demonstrieren. Machen Sie davon Gebrauch!

Finnland

29.05.2025

Piiluvanselkä

Zusammen mit meinem Kollegen Martin Simon und unserer Doktorandin Anahita Farhang war ich vom 11.-16. Mai im Rahmen eines Erasmus-Austausch in Finnland, und zwar in Helsinki und Lappeenranta und habe dort die finnischen Kollegen an der Yliopisto und LUT besucht:

LUT

Yliopisto

Die Reise war ein voller Erfolg und die Gastfreundschaft phänomenal. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und regelmäßige wechselseitige Austauschbesuche.

Das sind die aktuellen Beiträge; alte Beiträge gibt es im Archiv.