Nervennahrung

Covidioten

27.10.2020

sind immer die anderen. Ok, über Leute, die die Gefährlichkeit des Corona-Sars-Cov2 Virus oder sogar die Existenz desselben oder gar von Viren als solche in Frage stellen oder die Frau Merkel für eine Reptiloide halten, müssen wir nicht reden. Die sind ein Fall für den Psychiater. Aber dass jeder, der Zweifel an den zunehmend hilflosen Maßnahmen der Exekutive die Pandemie einzudämmen äußert, so tituliert wird - ersatzweise als Corona”leugner” - ist kein Ausweis einer demokratischen Debattenkultur. A propos Demokratie - wir werden seit Beginn der Pandemie per Ausnahmeverordnungen der Exekutive regiert, die Parlament haben sich selbst entmachtet. Ein unhaltbarer Zustand, gegen den zu recht sich endlich Widerstand regt.

Themen dieses Blogs sind in der Regel Themen aus der Wissenschaft und mit allgemeinen politischen Statements halte ich mich zurück. Lassen Sie mich daher eine kritischen Blick auf die aktuellen Maßnahmen ausschließlich aus der Perspektive der Wissenschaft nehmen. Seit nunmehr 9 Monaten leben wir in dieser Pandemie und die beschlossenen Maßnahmen der Exekutive bestehen im wesentlichen aus den AHA-Regeln, die auch schon im Mittelalter bei Pestepedemien (bedingt) erfolgreich waren angetrieben durch PCR-Tests - die einzigen Werkzeuge aus dem 21. Jahrhundert. Das ist nicht viel für eine Wissen(schafts)nation. Wo bleiben kreative Maßnahmen? Digitale Kontaktverfolgung, die funktioniert, Schnelltests für jeden - auch Laien, flächendeckende Testkonzepte, Masken, die auch den Träger schützen für alle, Belüftungsgeräte für die Schulen und Hochschulen etc. pp. Die Liste der verpassten Chancen ist lang. Stattdessen erfolgen - auch dies ganz mittelalterlich - Schuldzuweisungen an wechselnde Bevölkerungsgruppen. An die “jungen Leute”, das “Partyvolk”, also Sie, liebe Studenten. An Familienhochzeiten von “Großfamilien”. Und, weil jetzt alles nichts mehr hilft, Durchhalteparolen und Appelle an uns alle “vorsichtig zu sein”. Wie sieht es mit den Fakten dazu aus? Ich erlebe Sie, die “Jungen” nicht als verantwortungslos. Im Gegenteil, die meisten halten sich an alle Maßnahmen und was man gerade der jungen Generation zumutet, ist viel - einen Dank dafür habe ich dafür aber noch nicht vernommen. Die Fakten dazu: Die höchsten Inzidenzen hat die Generation 35-59 (Quelle RKI) und nicht das Jungvolk. Und wie ist es mit den Familienhochzeiten der Großfamilien? Bewußt wird hier der assoziierte Migrationskontext nicht erwähnt. Auch dies halte ich in jedem Fall für verantwortungsloses Geraune. Entweder diese Ereignisse spielen einen wesentlichen Faktor in der Pandemie, dann gehört dies konkret angesprochen und angemessen gemanagt oder das ist eben nicht der Fall. Dann befördern solche Parolen nur xenophobe Tendenzen in der zunehmend panischen Bevölkerung.

Als angehende Wissenschaftler bitte ich Sie, solche und andere Vorgänge auf ihre Ratio hin zu prüfen. Sind Maßnahmen wie die Schliessung der Kulturstätten und Restaurants auf Fakten gegründet oder ist es purer Aktionismus? Wie wird eine Maskenpflicht auch im Freien begründet? Was sollen Reisebeschränkungen usw.? Fragen Sie sich, ob Aussagen wie “Dieses Virus erzwingt bei einer bestimmten Fallzahl einfach einen Lockdown.” (Drosten, Podcast) wissenschaftliche Aussagen sind oder politische (Tipp: Ein Virus ist unbelebt, erzwingen setzt eine Willen voraus). Fragen Sie vor allem auch, welche Strategie hinter all dem steht. Denn ohne den Kontext einer Strategie kann man keine einzelne Maßnahme beurteilen. Welche Strategie verfolgen wir? Eindämmung oder Ausmerzung wie China und Neuseeland? Verfolgen wir überhaupt eine Strategie (einen Kommentar des Freiburger Medizinstatistikers Gerd Antes, des ehemaligen Direktors des Deutschen Cochrane-Zentrums am Universitätsklinikum Freiburg, dazu finden Sie hier)? Vor allem aber: Treten Sie dafür ein, dass diese Dinge dort debattiert werden, wo diese in einer Demokratie debattiert werden müssen - in die Parlamente! Und damit das funktioniert, müssen verschiedene Positionen äußerbar und streitbar sein - mit dem Begriff Coviodiot sollte dabei sparsam umgegangen werden. Die Wissenschaft kann dafür die Fakten liefern - bewerten müssen diese Fakten die Bürger und ihre demokratisch legitimierten Vertreter.

Vielleicht mögen Sie daher Ihren Bundes- oder Landtagsabgeordneten schreiben und diese dazu auffordern, das Parlament (die Parlamente) wieder in ihr Recht zu setzen oder Sie wenden sich ans Wissenschaftsministerium, um Ihr Recht auf Bildung einzufordern - es muss eine Perspektive für die Zukunft her, denn allein digital kann es nicht weitergehen.

Update (28.10.2020): Es war zu befürchten, und so hat die Exekutive nun “harte” Maßnahmen beschlossen, die durch keinerlei wissenschaftliche Fakten legitimert sind (demokratisch legitimiert sind sie ebensowenig, da die Parlamente wie bisher außen vor blieben), sondern sich durch blinden Aktionismus auszeichnen: Man macht diejenigen Bereiche dicht, die gerade dadurch auffallen, dass sie eben nicht Treiber der Pandemie sind. Aber eben diejenigen Bereiche, die nach Einschätzung der Kanzlerin entbehrlich sind (ob dabei ihr protestantischer Hintergrund als Pastorentochter eine Rolle spielt?): Kultur, d.h. Theater, Kinos, Opern, usw. Esskultur, d.h. Restaurants usw., Sport (Schwimmbäder, Amateursport) etc. pp. Dabei hat die Exekutive den Rat von Experten wie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), und der Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit ignoriert. Andreas Gassen, Vorsitzender der KBV, fragt: “Wie oft wollen Sie einen Lockdown denn noch machen?” Quelle: Welt. Jonas Schmidt-Chanasit spricht z. B. die Problematik an, dass WHO-Empfehlungen und WHO-Erfahrung mit Pandemiebekämpfung z. B. bei der Information von Kulturen, die “kein deutsches Radio hören “und kein deutsch sprechen” “unverständlicher Weise völlig ignoriert wurden”. Stattdessen seien Maßnahmen beschlossen worden, die “weder zielgerecht noch verhältnismässig seien”. Quelle: Welt Live Video

Dass derart weitreichende Grundrechtseinschränkungen mal wieder von einem Gremium (Videokonferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten) beschlossen werden, das unserer Verfassung gar nicht vorsieht, ist dabei ein Skandal, der viel zu wenig thematisiert wird. Dass die Vorschläge der angesehenen Virologen Streeck und Schmidt-Chanasit keine Beachtung finden, liegt meiner Überzeugung nach daran, dass diese Vorschläge auf die Eigenverantwortung setzen. Eigenverantwortung findet in unserer Gesellschaft leider immer weniger Fürsprecher. Stattdessen Staatsgläubigkeit und Paternalismus. M.E. höchste Zeit das zu ändern. Eigenverantwortung zeigen wir z. B. dadurch, dass wir uns vernünftig verhalten, die Hygienekonzepte an der Hochschule ernst nehmen und dass wir aufeinander Rücksicht nehmen. Eigenverantwortung zeigen wir aber auch dadurch, dass wir auf dem Recht auf Bildung auch in einer Pandemie bestehen und diese Ansicht politisch akzentuieren.

Nachtrag: Hier noch was zum Nachdenken