Nervennahrung

Europäischer Impfpass

26.02.2021

Notiz aus der Zukunft:

Software Engineering Klausur Schäfer WS 2022/2023

Aufgabe 1

Im Februar 2020 kündigten EU-Präsidentin von der Leyen und Bundeskanzlerin Merkel an, daß “es in drei Monaten möglich sein sollte, nationale digitale Impfausweise miteinander zu verbinden”. Bekanntlich kam es anders. Skizieren Sie die Anforderungen an eine logische SWE-Architektur und erläutern Sie, warum drei Monate eine unrealistische Vorgabe waren.

Musterlösung

Erforderlich waren nationale digitale Impfausweise. Diese waren Anfang 2021 in vielen EU-Mitgliedstaaten gar nicht vorhanden, insbesondere in Deutschland sind Impfausweise wie vor 100 Jahren analog. Eine digitale Authentifizierungsinfrastruktur ist notwendig, um die Identität fälschungssicher zu belegen. Auch dies war 2021 insbesondere in den digital rückständigen Ländern wie Deutschland nicht vorhanden. Zwar gibt es Ansätze wie den Personalausweis mit Chipkarte; dieser ist jedoch nicht für alle Bundesbürger verfügbar und freigeschaltet. Das Nichtvorhandensein dieser zentralen Infratstruktur hatte im Winter 2021 Konsequenzen: In mehreren Bundesländern (u.a. Niedersachsen und NRW) konnten sich z.B. Impfwillige (oder deren Angehörige) mehrfach für Impftermine registrieren, da eine digitale Identifizierung nicht vorgenommen wurde; in Niedersachsen wurde zudem die DHL beauftragt, die Impfwilligen anzuschreiben, da diese über aktuellere Adressen als die Behörden verfügten und die Listen wurden nicht abgeglichen, wodurch es zu zahlreichen Fehlern kam. Ferner ist eine Autorisierungsinfrastruktur notwendig, damit berechtigte Stellen wie Impfzentren, Hausärzte, Gesundheitsämter etc. den Impfstatus ändern können. Auch diese war Anfang 2021 nicht vorhanden. Bereits die 2020 eingeführte Corona-App scheiterte u.a. daran, daß der Teststatus oft nicht erfasst wurden konnte, da die digitale Infrastruktur u.a. der Labore dies nicht zuließ. Zum “Verbinden” der nationalen digitalen Impfausweise ist eine Koordination von 27 Projektparteien notwendig, was organisatorisch höchst komplex ist. Es muß ein gemeinsames Datenformat (Syntax und Semantik) vereinbart werden. Es war zum Ankündigungszeitpunkt ferner völlig unklar, welche digitale Hardware verwendet werden sollte.

Anmerkung: Natürlich ist ein digitaler europäischer Impfpass eine sehr gute Idee, genauso wie eine europäische Impfkampagne. Man muss gute Ideen aber auch gut umsetzen.

Update 09.03.2021: Laut Presseberichten hat die Bundesregierung IBM beauftragt. Wie die FAZ berichtet, “soll der digitale Impfpass ‘acht Wochen nach dem Zuschlag’ fertig sein und dann in eine Testphase gehen”. Das ist bemerkenswert, denn damit ist der ursprüngliche Zeitplan bereits bei Auftragsvergabe hinfällig, denn nach 3 Monaten wird damit allenfalls ein testfähiges Verfahren in Deutschland zur Verfügung stehen und eben keine europäische, abgestimmte und fertige Lösung.

Update 2 09.03.2021: Es ist auch das Kölner Startup Ubirch mit involviert - mit einer Blockchain! (Ob das alles irgendwie sinnvoll ist, läßt sich ohne öffentlich verfügbare, abgestimmte Use-Cases nicht beurteilen.)

Update 3 10.03.2021: Hier die Kommentare von fefe zum Thema.