Nervennahrung

Sommersemester 2021

10.04.2021

Als ich vor einem Jahr die Studenten zum Sommersemester 2020 begrüßte, befanden wir uns am Anfang der Coronapandemie. Das damals in der Kürze der Zeit improvisierte Onlineangebot hat es Ihnen ermöglicht, trotz der durch die Coronamaßnahmen bedingten Einschränkungen, alle Module zu belegen und alle Prüfungen Ihrer Studiengänge der Informatik zu absolvieren. Das war nicht selbstverständlich. Wir haben in der Informatik an unserer Hochschule in der Tat das gesamte Modulangebot anbieten können und auch sämtliche Leistungsnachweise ermöglicht. Das hat uns mit einem gewissen Stolz erfüllt, denn längst nicht alle Hochschulen konnten dies ihren Studenten ermöglichen.

Heute, nach mehr als einem Jahr Pandemie bin ich nicht mehr stolz darauf, was wir Ihnen, liebe Studenten, als Gesellschaft anbieten. Ihre Bedürfnisse haben in der gesellschaftlichen, politischen Diskussion wenig bis gar keine Rolle gespielt und so bleibt die Aussicht auf ein weiteres - euphemistisch “Hybridsemester” genanntes - Ausnahmesemester ohne klare Perspektive auf Veränderung. Euphemistisch deshalb, weil wir Ihnen aufgrund der geltenden Auflagen praktisch ausschließlich Onlineveranstaltungen anbieten können. Das wäre nicht alternativlos, aber unsere Hochschule kann aufgrund der Auflagen einerseits und der fehlenden Bereitschaft, andere Maßnahmen zu ergreifen, nichts anderes anbieten.

Da sich die Zahl der Studenten mit psychischen Problemen massiv erhöht hat, möchte ich an dieser Stelle auch auf unsere vielfältigen Beratungsangebote, insbesondere auch die Psychosozialberatung aufmerksam machen und Sie bitten, bei Bedarf diese zu nutzen. Selbstverständlich können Sie auch in meine (Online) Sprechstunde kommen.

Seien Sie versichert, daß wir auch in diesem Sommersemester alles versuchen werden, um Ihnen ein - im Rahmen der Möglichkeiten - sinnvolles Studium zu ermöglichen. Ich bitte Sie, sich über die jeweils geltenden Coronamaßnahmen zu informieren und die Regelungen unbedingt einzuhalten.

Schließen möchte ich mit einem Hinweis auf einen sehr lesenswerten Kommentar “Lockdown für immer?” unseres ehemaligen “Landesvaters”, Roland Koch, in dem er schreibt:

” ‘Individuelle Freiheit, das Recht auf wirtschaftliche Betätigung, das Recht auf Bildung und soziale Inklusion und auch das Recht zu reisen’ hätten in der Verfassungsordnung einen Rang, der es verbiete, sie dauerhaft ‘einem Krisenregime des Stillstandes und der allumfassenden Zwangsbewirtschaftung zu unterwerfen’, mahnte Koch. ‘Wenn das Krisenmanagement nach mehr als einem Jahr darauf keine Rücksicht nimmt, verliert das Management die politische Unterstützung […] Der Lockdown in Serie ist eben irgendwann verfassungswidrig, selbst wenn man ihn per Gesetz beschließt.’ […] Ich erwarte von meiner Regierung, dass sie mir glaubhaft nachweist, dass sie alle Anstrengungen unternimmt, mir ein selbstbestimmtes Leben in privater und wirtschaftlicher Hinsicht zu erlauben, auch wenn wir mit diesem oder einem anderen Virus noch lange leben müssen.’ “

(Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich befürworte nicht, keine Maßnahmen zu ergreifen, sondern - wie an dieser Stelle mehrfach geschrieben - intelligentere Maßnahmen anstelle eines halbherzigen Dauer-Lockdown-“Light” zu implementieren. Einen aktuellen Hinweis auf intelligentere, wissenschaftsbasierte Maßnahmen finden Sie z. B. hier und hier.)