Stiko
06.07.2021Jacques Schuster wirft in einem Kommentar in der Welt den Wissenschaftlern u.a. der Stiko (Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut) “Selbstherrlichkeit” vor, die “irritierend” sei. Außerdem kritisiert er, daß die Stiko sich “zuletzt mehrfach korrigieren musste” und “außerdem keine demokratische Legitimation” habe.
Mich irritiert dagegen die Unkenntnis wissenschaftlicher Arbeitsweise bei vielen Journalisten, sowie die Inkompetenz von vielen Journalisten, selbst nach 1.5 Jahren Pandemie einfachste mathematische Sachverhalte korrekt zu formulieren.
Der obige Vorwurf von Hrn. Schuster ist eine Unverschämtheit. Der Chef der Stiko verwahrt sich zurecht gegen die zunehmende Einflussnahme der Politik auf ihre Empfehlungen. Es ist Aufgabe der Stiko, wissenschaftlich basierte Empfehlungen zu geben (auf Basis von Evidenz!). Die politische Entscheidungen (Maßnahmen) liegen dann bei den Politikern. Eine Einflußnahme von Politikern auf wissenschaftliche Bewertungen ist eine unzulässige Einwirkung ggf. sogar Nötigung der Exekutive (Macht). Daß Herr Schuster als Chefkommentator der “Welt”-Gruppe diese unterschiedlichen Sphären und Rollen in einer Demokratie nicht verstehen will, ist schon bemerkenswert.
Die Stiko mußte sich auch nicht mehrfach korrigieren, sondern hat in der Pandemie mehrfach aufgrund neuer Fakten, die Empfehlungen angepasst. Das gehört zum guten wissenschaftlichen Handwerkszeug, und das könnten auch Journalisten wissen.
Die Stiko ist auch nicht unzureichend demokratisch legitimiert. Vielmehr ist die Rechtsgrundlage für die Einrichtung der Stiko das Infektionsschutzgesetz (§ 20 Absatz 2 IfSG). Und in einer Demokratie ist der Gesetzgeber, der derartige Gesetze erläßt, demokratisch legitimiert. Das reicht für eine Legitimation. Und daß die Stiko nicht weisungsgebunden ist, sondern aus einer unabhängigen 18-köpfigen Expertengruppe besteht, erhöht ihre Glaubwürdigkeit und hat vermutlich dazu beigetragen, daß die Diskussion um Impfungen in Deutschland relativ sachlich verlaufen. Im übrigen bedürfen wissenschaftliche Aussagen überhaupt keiner demokratischen Legitimation, denn über den Wahrheitsgehalt wissenschaftlicher Aussagen wird nicht abgestimmt, sondern mit wissenschaftlicher Methodik in der Wissenschaft selbst und transparent entschieden.