Untrusted Flagger
23.10.2024Eine Zensur findet nicht statt. So lautet Artikel 5 Absatz 1 GG. Seit kurzem gilt das nicht mehr. Eine Zensur findet doch statt. Und das funktioniert so. Die Bundesnetzagentur, eine Behörde, die durch das von Robert Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium weisungsgebunden ist, beauftragt private Organisationen, sogenannte Trusted Flagger damit, unliebsame Inhalte, die auf Social Media gepostet werden, den Betreibern der Plattformen zu melden, damit diese diese Inhalte dann “schnell und unbürokratisch” löschen können. Formale Grundlage dafür ist ein Beschluss der EU-Kommission, die Trusted Flagger im Rahmen des Digital Services Act (DSA) vorsieht, was auch erklären mag, warum die Bundesnetzagentur, die eigentlich dafür vorgesehen ist, dafür zu Sorge zu tragen, dass Energie und Informationsnetze technisch reibungslos funktionieren, auf einmal mit der Frage von zulässigen Inhalten betraut wird (was ja nicht unbedingt zu den originären Befugnissen eines Wirtschaftsministeriums gehört, sondern eher in den Bereich z. B. des Innenministeriums fiele). Zweckmäßigerweise ist der erste Trusted Flagger, die Meldestelle “Respect!” der Jugendstiftung Baden-Württemberg, über ihre Fördergeber mit diversen grünen Ministerien eng verbunden. Eine Analyse dieser haarsträubenden Vorgänge finden Sie hier sowie im YouTube Beitrag des Kollegen Rieck.
Warum gehört dieser Beitrag m.E. auf einen Informatik-Blog? Informatiker entwerfen und betreiben digitale Plattformen. Die im Code festgelegten Regeln sind wirkmächtig ähnlich den Regeln bzw. Gesetzen des Rechtsstaates. Dies ist hervorragend in einem Klassiker “Code is Law” von Laurence Lessing beschrieben. Informatikern kommt daher eine große Verantwortung zu - Code ist niemals “neutral”. In diesem konkreten Fall ist die Infrastruktur, die hier für die großen Online-Plattformen etabliert wird, in Zusammenarbeit mit den KI-Algorithmen, die Prüfung und Löschung übernehmen, eine Zensurinfrastruktur, die mit dem Geist - und m.M. auch Buchstaben - unserer Verfassung unvereinbar ist. Hoffentlich wird dies bald von den Gerichten geklärt - bis dahin ist aber Aufklärung vonnöten. Deshalb blogge ich hier in einem Blog für Informatikstudenten.
Update 1: Leiter der Meldestelle “Respect!” ist übrigens Ahmed Gaafar, der an der Al-Azhar Universität Islamwissenschaften studiert hat.
Update 2: Wes Geistes Kinder Herr Habeck ist, hat er erst kürzlich wieder demonstriert, als er bei einer Veranstaltung der “Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik” am 24.10.2024 sagte: “Ich will keinen Hehl daraus machen, dass ich glaube, dass diese unregulierte Form der sozialen Medien inzwischen nicht mehr akzeptabel ist… Eine scharfe Anwendung des DSA, des Digital Service Acts, ist das Mindeste, was wir in Deutschland brauchen.” - m.a.W. wenn es nach ihm ginge, hätte er gerne noch mehr Zensur.